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Manfred Ernst

Der Bootsbau in Deutschland wurde maßgeblich mitbestimmt von Manfred Ernst. Er war Wissenschaftler, Konstrukteur, Ingenieur, Designer und stellte perfektionistisch hohe Ansprüche an Innovation, Präzision und Ästhetik. Die nach seinen Rissen gebauten Boote fahren noch heute. Im Segelsport erwarb er mehrfach DDR- Meistertitel und Pokale.

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passfoto manfred ernst winter 2007
passfoto manfred ernst winter 2007

Manfred Ernst wurde am 03.06.1935 geboren. Sein Vater, Theodor Ernst, und seine Mutter, Erika Ernst, lebten zu dieser Zeit in Berlin – Köpenick. Die ersten Jahre seiner Kindheit verbrachte Manfred Ernst auf der Werft seines Großvaters, Oswald Ernst. Er erlebte eine sehr schöne und abenteuerliche Zeit, stets an seiner Seite sein Hund „Flocki“. „Sicherlich habe ich auch viel Unsinn gemacht“, erinnert er sich, „aber wenn mich meine Eltern mit einem Schraubenschlüssel vor einem ausgebauten alten Motor stellten, hatten sie vor mir einige Stunden Ruhe.“

Während des Krieges, als die nächtlichen Bombenangriffe immer nachhaltiger wurden, veranlassten die Eltern, dass Manfred Ernst zu den katholischen Verwandten nach Strehlen bei Breslau „verschickt“ wurde. Dort bekam er Heimweh und schrieb traurige Briefe nach Berlin. Von den ansässigen Kindern wurde er gehänselt: „Berliner Rasse, große Fresse, kleene Oogen, kannst du nischt glooben“, war damals das Motto, so Manfred Ernst. Also war er froh, wieder nach Hause zu kommen.

In Berlin nahm die Intensität der Bombenabwürfe zu. Die Luftlagemeldungen empfing man mit Hilfe des Drahtfunkes, einem Rundfunk, der über das Telefonnetz gesendet und immer empfangen werden konnte. „Die meisten Nächte erlebten wir dann im großen Gemeinschaftsbunker. Dort standen dreistöckige Betten, in denen sich Wanzen als Mitbewohner sehr wohl fühlten und die wir nicht beherrschen konnten“, erinnert er sich. Der Betrieb seines Vaters und das elterliche Wohnhaus wurden von zwei Bomben getroffen. Sein Vater und sein Großvater überlebten im selbstgebauten Bunker einen Einschlag in nur zwei Metern Entfernung. „Mein Vater ergriff sofort die Initiative und begann mit den Reparaturen und dem Neubau eines Seitenflügels, in dem wir dann später wohnten“, so Manfred Ernst.

Ein Freund seines Vaters kam in Potsdam mit seiner Familie durch Bombeneinschläge in ihrem Bunker ums Leben. Ein Junge und ein Mädchen überlebten wie durch ein Wunder. Theodor Ernst nahm die Kinder in Obhut. „Somit hatte ich nun einen etwa gleichaltrigen Spielkameraden“, erinnert sich Manfred Ernst. Der Junge ist kein geringerer als Oskar Tübbecke, der später Schiffsbauingenieur und erfolgreicher Yachtkonstrukteur wurde. Oskar und seine Schwester Susanne lebten einige Zeit bei der Familie Ernst. „Für uns Kinder war der Krieg auch eine Art  Abenteuer. Bei aller Angst bekam man auch eine Dickfälligkeit, sah bei Tagesangriffen die Bomberverbände, zählte die Flugzeuge, beurteilte, ob man in den Bunker gehen sollte oder nicht. Nach den Angriffen sammelten wir die Bombensplitter“ erzählt Manfred Ernst und zeigt einen dieser Bombensplitter, den er bis heute behalten hat.

Manfred, Theo und Oscar Ernst (v.l.)
Manfred, Theo und Oscar Ernst (v.l.)

Ansonsten hing Manfred Ernst eigentlich immer seinem Vater am Rockzipfel. Gerne und ausdauernd hörte er den Erwachsenen zu. So gab es keine Besprechung in der Firma, an der er nicht schon als Kind teilgenommen hatte. Schon sehr früh entdeckte er seine Liebe zum Wasser und zu Booten. Er war 10 Jahre alt, als der Krieg zu Ende war und bekam  von seinem Großvater eine eigene „Kükenjolle“, die Engelbrecht damals in Serie baute. Später baute sein Vater ihm eine Jolle. Im neunten Schuljahr verließ Manfred Ernst die Oberschule, die ihn aus heutiger Sicht ziemlich nervte. Ein Junge aus seiner Nachbarklasse, Werner Philipp, erinnert sich, dass Manfred ständig seine Hefte mit Schiffsmodellen vollmalte. Werner Philipp wurde Lehrer, unterrichtete später Manfreds Sohn Reinhard, bei dem er gleiche Beobachtungen machte. Seine Heftdeckel waren auch mit Konstruktionszeichnungen versehen.

In der Yachtwerft Karl Mathan im Wendenschloss begann Manfred Ernst seine Lehre als Bootsbauer und später als Stahlschiffbauer. Dreieinhalb Jahre lang hatte er eine 48- Stunden Woche, täglich arbeitet er von 07:00 bis 16:00 Uhr und Samstags von 07:00 bis 12:00 Uhr. „Ich weiß nicht, wie es möglich war, trotz dieser Anstrengungen 1950 und 1951 Gesamt-Berliner-Jugendmeister im Segeln zu werden und 1952 weitere Wettfahrten zu segeln“ bemerkt Manfred Ernst. Für die Gesellenprüfung musste er ein halbes Rettungsboot bauen. Nach der Lehrzeit hatte er begriffen, dass die körperliche Arbeit nicht sein Ding war. Die Berufsschule machte ihm allerdings Spaß, stets den Spruch seines Vaters im Hinterkopf: „Du musst besser sein als die anderen!“. Seine Lehre schloss er mit allerbesten Noten ab.

Noch während seiner Lehrzeit trat er in den Segel-Sportclub Friedrichshagen ein und war mit seiner Olympiajolle sehr erfolgreich. So wurde er in den Nationalkader aufgenommen. Später, als er sein Studium antrat, verlor er zwar nicht die Mitgliedschaft, bekam aber keine Starts mehr. Die damalige Sportleitung war der Meinung, wenn er studiere, habe er doch keine Zeit mehr für das Training und somit wäre keine sportliche Perspektive mit zu erwartenden Erfolgen vorhanden.

Nach der Lehre bewarb Manfred Ernst sich als technischer Zeichner beim „Zentralen Konstruktionsbüro für Hochseeschiffbau“ ZKB in Köpenick am Brandenburgplatz. Dort lernte er auch einen sehr guten Lehrmeister kennen, keinen geringeren als Bruno Engelbrecht. Dieser war ein ausgezeichneter Konstrukteur. Nach drei Monaten wurde Manfred Ernst zum Teilkonstrukteur befördert und zum Studium nach Warnemünde delegiert. Dort beschäftigte er sich mit theoretischen Fragen und setzte sich mit Ansichten anderer Konstrukteure auseinander. Einer von ihnen war Juan Baader. Sein Buch, welches er von Hellmuth Fugmann geschenkt bekam, erschien in Deutschland in spanischer Sprache unter dem Titel „Motorkreuzer und schnelle Sportboote“. Dieses Buch übersetzte er sich teilweise, las es mehrmals und lernte sehr viel daraus. Aber auch Bücher wie das von Lord Lindsay „Naval Architecture of Planings Hulls“, das ihm Bruno Engelbrecht schenkte, nutzte er intensiv für sein Studium.

Nach weiteren drei Jahren schloss Manfred Ernst das Studium erfolgreich ab. Die damals vorgeschriebene Praktikumszeit absolvierte er in der Yachtwerft Berlin. Dort bekam er eine Stelle als Materialverbrauchsnormer (MVN). Zum Ende des Praktikums bewarb er sich für das Konstruktionsbüro in der Yachtwerft und erhielt eine Absage. Der Grund hierfür, so Manfred Ernst: „Der spioniert hier doch nur für seinen Vater.“ Daraufhin kündigte er und ließ sich bei seinem Vater anstellen.

Während des Studiums lernte Manfred Ernst in Warnemünde „das Wichtigste für sein ganzes Leben“ kennen, seine Christa. Sie war die Schwester eines Kommilitonen und studierte Pharmazie. Nach Beendigung ihres Studiums folgte eine Praktikumszeit in Berlin-Köpenick. Nachdem sich beide vier Jahre kannten, „mussten wir nun heiraten“ erzählt Manfred Ernst, „sonst hätte sie ihren Wohnort nicht verlegen können“. 13 Monate nach ihrer Hochzeit trat wiederum etwas Wichtiges in ihr Leben, die Geburt des Sonntagskindes Reinhard.

Sportlich gesehen war Manfred Ernst nach dem Studium beim Sportclub wieder in der Nationalmannschaft. „Ich segelte Finn-Dinghi, war erfolgreich bei internationalen Regatten und wurde 1961 DDR Meister in der Finn-Dinghi-Klasse“ berichtet er. Nach dem Tod seines Vaters machte Manfred Ernst sich selbständig und übernahm dessen Konstruktionsbüro. Formell machte dies keine Schwierigkeiten, sein Trainer hatte jedoch große Probleme mit der neuen Situation. Er sagte zu ihm: „Wenn ich von dir etwas verlange und du keine Zeit hast, dann habe ich keine Chance…“. Deshalb musste Manfred Ernst erneut die Nationalmannschaft verlassen. Danach bezeichnete er sich selbst als den wirklichen Amateur und gewann noch fünfmal die Berliner Finn-Dinghi-Meisterschaft. Die Tante von Manfred Ernst gab ihm einmal Folgendes mit auf den Weg: „Weiße Segel und schäumende Welle, seines Lebens Element, gleite immer an erster Stelle, wie man’s von deinem Vater kennt. Dann lebt die alte Tradition bis in die nächste Generation. Tu alles was du künftig lernst zum Wohle für den Namen Ernst.“ Diese Sätze haben Manfred Ernsts Leben immer begleitet. Heute kann er allerdings feststellen, dass solch eine Lebensauffassung nicht mehr realisierbar ist.

„Es folgten die zehn schwersten, arbeitsreichsten, urlaubsfreien, aber auch die erfolgreichsten und schönsten Jahre meines Lebens“ erzählt uns Manfred Ernst. Auf dem Reißbrett entstanden in dieser Zeit etwa 80 neue Bootstypen wie Motoryachten, Berufsschiffe, Kontrollboote, Fähren, Fischereiboote, Arbeitsboote, Segeljollen, Jollenkreuzer, Kielboote, Kielschwertboote und Motorsegler. Später kamen noch weitere 40 Grundtypen dazu, die verschiedenen Variationen nicht mitgerechnet. Zu den größten Erfolgen zählten Jollentypen, die ca. 10.000 mal gebaut wurden, über mehrere hundert von Jollenkreuzern. Er erhielt die Auszeichnung für gutes Design und nicht zuletzt die Genugtuung, dass die Yachtwerft Berlin, die ihn nicht im Konstruktionsbüro haben wollte, ihre eigenen Bootstypen durch von ihm entworfene Typen ersetzen musste. Politisch mochte man Manfred Ernst überhaupt nicht und vermied es, wo auch immer es ging, seinen Namen zu erwähnen. Aber auf seine Zeichnungen war man angewiesen. Mit ihnen brachte er der DDR wertvolle Devisen. Schaut man sich alte Werbematerialien an, so kann festgestellt werden, dass bei einigen Wasserfahrzeugen, die in der Yachtwerft gebaut wurden, der Konstrukteur Manfred Ernst nie genannt wird. Er selbst betont, dass daran nicht einzelne Personen Schuld hatten, sondern das System des Staates DDR.

In den 60-ziger Jahren wurden von den kleinen Bootsbaubetrieben der DDR nach Ernsts Entwürfen für jährlich 10 Millionen Valuta Mark Boote und Yachten für den Export gefertigt und nach Westdeutschland, Holland, Frankreich, England und Italien verkauft. Durch eine Anordnung im Jahre 1972 wurden die meisten dieser kleinen Betriebe enteignet und in „Volkseigene Betriebe“ (VEB) umgewandelt. Zu dieser Zeit brach auch der Bedarf aus den Abnahmeländern ein. Die westeuropäischen Länder hatten mit einer Rezession zu kämpfen. Die Franzosen werteten ihren Franc ab, die erste Ölkrise machte sich auch bei den Bootsbesitzern bemerkbar und in Westdeutschland wurde die Wochenendfahrverbots-Regelung durchgesetzt. Der Export brach zusammen, die Betriebe gingen kaputt oder reduzierten sich so, dass sie mit der Zeit Pleite gingen. (Anm. der Redaktion: Eigentlich würde man den Begriff „Konkurs“ verwenden, diesen Begriff gab es in der DDR aber nicht.). „Das letztendliche Resultat sehen wir heute, da von dem ehemaligen Zentrum des europäischen Bootsbaus im Berliner Osten praktisch nichts mehr übrig ist“, erläutert Manfred Ernst. Auch er sollte, als Freiberufler, dem volkseigenen Sektor zugeführt werden. Durch Glück und das Erkennen der Chance im richtigen Moment konnte er seine Tätigkeit als „Industrieformgestaltung“ (Design) deklarieren lassen. So wurde aus dem „Konstrukteur“ Manfred Ernst ein „Künstler“ Manfred Ernst, der in seinem Verband in seiner Selbständigkeit bewahrt wurde.

Motorsegler Ralle 1982 Riss Manfred Ernst
Motorsegler Ralle 1982 Riss Manfred Ernst

In den stressreichen Jahren fand Manfred Ernst nur noch sehr wenig Zeit für seinen Sport, das Segeln. Das Training wurde in erheblichem Maße eingeschränkt, „ich stellte fest, dass nicht ich mit dem Finn-Dinghi, sondern das Finn-Dinghi mit mir segelte“ erzählt er. Es folgte somit eine Pause. Die Familie stand im Vordergrund und die wenige verfügbare Zeit wurde auf dem Wasser mit dem Motorboot verbracht. „Nach einigen Jahren setzte mir jemand den Floh ins Ohr, ich solle doch mal eine H-Jolle zeichnen“, erinnert sich Manfred Ernst. Die Jolle war ihm gut gelungen, aber mangels Masse drohte die Klasse als Meisterschaftsklasse zu enden. Es mussten also Boote her! Die Lösung war, ein Boot abzuformen und die Klasse weiter in GFK bestehen zu lassen. Aus der ersten Schale wurde die H99 gebaut. „Es juckte wieder“ erzählt Manfred Ernst und es folgten acht Jahre H-Jolle- Segeln. Die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten, 3x DDR Meister, 4x das Blaue Band und viele andere Preise. „Dann merkte ich, dass nicht ich mit der Jolle, sondern die Jolle mit mir…“ er hält inne und lächelt verschmitzt. Um das Segeln und das Motorbootfahren zu vereinen, verkaufte Manfred Ernst seine Motoryacht „Ralle“ und baute einen Motorsegler. Mit diesem Boot erlebte die Familie Ernst einige wunderbare Jahre. Sei anzumerken, dass er dieses Boot später, als er seine neue Firma gründete und sein Haus baute, nach Sardinien verkaufte.

Dann kam die Wende – dies war wieder eine schwere Zeit, geprägt voller Sorgen über die Zukunft. Wie wird es weitergehen? Bleibt die DDR? Was wird aus dem Konstruktionsbüro? Bekommt die Familie Ernst ihre Werft zurück? Unmittelbar nach der Wende lud der Grandseigneur des Motorbootbaus, Winfried H. Wilke, Manfred zu sich nach Hause ein. Wilke ist ein erfahrener Konstrukteur im „Westen“. Manfred Ernst lernte Wilke schon in den 60-zigern auf den Ausstellungen kennen. Sie schauten sich auch schon immer mal gegenseitig die Boote ab. Beide haben einen ähnlichen ästhetischen Geschmack. Wilke ist kein gelernter Schiffsbauer, sondern von Beruf Grafiker. Er bot Manfred Ernst an, in seinem Büro mitzuarbeiten. So begleitete er Wilke zu Storebro, zu Pedrazzini, zu Linsen und vielen anderen Werften. Wilke, der ein genialer Designer ist, ergänzte sich mit Manfred Ernst hervorragend. Es war alles so positiv, er verstand sich sehr gut mit Herrn Wilke und die Familie war sehr gastfreundlich. Aber, Wilke wohnte nicht in Berlin. Für eine effektive Zusammenarbeit hätte Manfred Ernst nach Kassel ziehen müssen. Berlin verlassen und somit von seiner Familie getrennt zu sein, war für ihn der Grund, diesen Schritt nicht zu gehen. Er gibt zu, dass die Erlebnisse bei Herrn Wilke für ihn eine „Eröffnung“ waren. Er erkennt, dass sich seine Zeichnungen in dieser Zeit qualitativ sehr veränderten . „Man konnte bei ihm schon was lernen. Aber auch er brachte sich auf seine Art bei Wilke ein, löste Dinge, von denen dieser nicht so viel verstand, bzw. auch nicht ran wollte. Alles, was mit Intensität, Gründlichkeit, hinsichtlich des Materials, der Gewichte etc. zu tun hatte, war die Stärke von Manfred Ernst. Er bedauert es sehr, dass es keinen anderen Weg gab, zwei solch erfahrene Konstrukteure zusammen in einer Firma- das wäre es gewesen!

Manfred Ernst arbeitete von nun an als Gutachter. Über einige Jahre hinweg erstellte er in dieser Zeit das wohl jemals umfangreichste Gutachten für Sportboote und schaffte damit eine solide Basis für seine weitere Zukunft. Er erhielt den Auftrag, das gesamte mobile Eigentum der ehemaligen GST zu erfassen. Dinghis, Jollen, Segelkutter bis hin zu Motorarbeitsbooten, es waren über sechshundertfünfzig Wasserfahrzeuge, mussten einzeln begutachtet und getaxt werden. So lernte Manfred Ernst das ehemalige Gebiet der DDR von Rügen bis Thüringen, kennen. Zeitgleich baute er die Firma „Serius“ auf, in der auch seine Frau Christa und sein Sohn Reinhard Ernst involviert sind.

Im Hinterkopf schwelte immer noch der Gedanke, dass er irgendwann die Werft seines Vaters wiederbekommen könnte. Leider war ihm dies nicht gegönnt. Die ehemalige Werft in der Grünauer Straße 167 wurde nach der Wende von der Treuhand zum Verkauf angeboten. Der zunächst geforderte Preis war völlig inakzeptabel, daher hatte auch niemand ein Angebot abgegeben. Manfred Ernst bot einen niedrigeren Kaufpreis als den geforderten an, den die Treuhand aber ablehnte. Bei einer zweiten Ausschreibung bot er wieder den Preis, aber den Zuschlag erhielt ein anderer Unternehmer. Die gesamte Liegenschaft ist für rund 700.000 DM verkauft worden, nur wenige DM über den Gebotsbetrag von Manfred Ernst. Seine Mutter und er bekamen eine Entschädigung in Höhe von 32.000 DM, zahlbar in fünf Raten. Die letzte Rate wurde im Jahre 2008 geleistet. Natürlich waren die ersten vier Jahre für den Staat zinsfrei, für das letzte Jahr wurden dann Zinsen bezahlt, natürlich abzüglich der Zinsertragssteuer. Manfred Ernst hat lange damit zu tun gehabt, dies zu verkraften, eines lernte er aber: „Recht haben ist die eine Sache, Recht bekommen die andere“. Es war nicht einfach für ihn, damit fertig zu werden.

Christa, Reinhard und Manfred Ernst (v.r)
Christa, Reinhard und Manfred Ernst (v.r)

Manfred Ernst ist deshalb nicht verbittert. „Ich hatte in den vielen Jahren auch sehr viel Glück. Wir bauten uns auf ehrliche Weise einen schönen Firmensitz auf, ein privates Wohnhaus wurde gebaut und…wir sind gesund. Wenn ich sehe, wie in all den Jahren viele Menschen ihr Hab und Gut, Leib und Leben verloren haben, dann sehe ich uns auf der Sonnenseite des Lebens“. „Sportlich gesehen betrachte ich einen 10. Platz bei hundert Startern als einen Grund zur Freude, weil man 90 Starter hinter sich gelassen hat und nicht zum Ärgern, weil man neun vor sich hatte.“

Mit 70 Jahren, am 01.06.2005, übertrug Manfred Ernst seine Anteile der Serius GmbH an seinen Sohn Reinhard Ernst und arbeitet nur noch unterstützend in der Firma mit. Lassen kann er es aber nicht und ist nach wie vor jeden Tag für ein paar Stunden in der Firma.


Mit großer Trauer haben wir Anfang April 2024 vom Ableben des Konstrukteur Manfred Ernst erfahren. Sein Tod hinterlässt eine Lücke, die nicht nur in der Familie, sondern auch in der Bootsbau-Branche spürbar sein wird. Manfred Ernst war nicht nur ein herausragender Fachmann, sondern auch ein Mensch mit außergewöhnlichen Eigenschaften.

Sein umfangreiches Wissen und seine Präzision bei der Arbeit bis ins Details haben die Entwicklung des Bootsbauwesens maßgeblich beeinflusst. Sein Blick für Ästhetik und Machbarkeit führte zu einzigartigen Bootskreationen, die bis heute bewundert werden. Dabei war er stets bereit, sein Wissen und seine Erfahrungen mit anderen zu teilen – sei es mit interessierten Laien oder seinen unzähligen Kunden.

Manfred Ernst war nicht nur ein Experte, sondern auch ein Mensch mit Herz. Wir erinnern uns gerne an die vielen Stunden, die wir mit ihm und seiner lieben Frau während der Interviewtage verbringen durften. Seine Geschichten über den Werdegang der Familie Ernst und die Entwicklung der Bootsbaukunst werden uns stets in Erinnerung bleiben.

Möge Manfred Ernst in Frieden ruhen, und mögen seine Ideen und sein Lebenswerk weiterhin in der Welt der Klassik-Boote.de lebendig bleiben.

Mit aufrichtiger Anteilnahme
das Klassik-Boote-Team.


Berlin im Juli 2008 (dp)

Anm. der Redaktion. Lieber Herr Ernst, wir bedanken uns bei Ihnen und Ihrer Frau für den stets freundlichen Empfang, der ständigen Bereitschaft, uns Auskünfte über Ihren Werdegang zu geben. Durch die Gespräche haben wir einen unschätzbaren Informationsgehalt für die Aufarbeitung des traditionellen Bootsbaus von Ihnen erhalten. Wir haben Zusammenhänge erfahren, die wir an keiner Stelle sonst wo besser hätten erfahren können. Bleiben Sie noch lange gesund und genießen Sie die Zeit. Finden Sie den Freiraum für die Dinge, die in Ihrem Arbeitsleben zu kurz gekommen sind. Klassik-Boote würde sich glücklich schätzen, wenn Sie uns auch zukünftig zur Beantwortung offener Fragen zum Thema Bootsbau zur Verfügung stehen. Herzlichen Dank!

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webmaster
Mein Real-Name ist Detlev Pickert, geb. 1957 in Berlin-Zehlendorf. Einen Teil meiner Jugend habe ich im Schwarzwald verbracht und dort meine Lehre mit dem Abschluss einer Gesellenprüfung als Zimmermann bestanden. Zurück nach Berlin gekommen, bin ich in die IT eingestiegen, zu der Zeit gab es in Deutschland noch keine PC's. Mein erster Job war im Großkauf am Saatwinkler Damm, dahinter befand sich König-Motorenbau. In jeder freien Minute habe ich zu dieser Zeit Dieter König und den Mitarbeitern von Dieter bei ihren Testfahrten zugeschaut. Mich faszinierte das Geschehen enorm. 2002 habe ich nach einem Umzug in den süd-östlichen Teil hinter Berlin den Bootsführerschein absolviert und mein erstes Boot war eine Plaue. Da es mich schon immer sehr interessiert hat, wer solche wunderbaren Fahrzeuge konstruiert und gebaut an, fing meine Recherchetätigkeit an, die mich nie wieder losgelassen hat. Hunderte von Interviews mit alten Bootsbauern, Werftbesitzer, Motorenschlosser, mit Personen, die dem Wassersport verbunden waren und Recherchen in Bibliotheken, Büchern und Magazinen hat sich ein enormes Wissen angesammelt. Nach einer Pause von gut 10 Jahren wird nunmehr sukzessive vieles von dem Wissen auf dieser Plattform veröffentlicht. Keine der Geschichten ist abgeschlossen, denn jeden Tag kommen neue Informationen hinzu. Ich habe weder Germanistik noch Journalismus studiert, ich schreibe so, wie meine Gedanken es mir vorgeben. Wer sich daran stört, der findet sicherlich andere Seiten, wo er sich wohler fühlt.